Ludwig Wittgenstein

Ludwig Wittgenstein, Philosophische Grammatik

Die Skulpturen „Philosophische Grammatik“ bestehen aus 96 und 112 Bleiteilen. Sie sind dreidimensionale Visualisierungen von Textpassagen dieses Buches, die sich mit der Chiffrierung und Dechiffrierung von Sprachsystemen, mit der Funktion von Sprache, mit den Möglichkeiten des Verstehens u.a. beschäftigen.

Jedes Wort von Wittgenstein’s Zitaten ist mit Codes in Skulpturen transformiert worden. Die ursprünglichen Texte hängen als Teil der Arbeit neben den Skulpturen:

Es sei mir ein Satz in einer mir nicht geläufigen Chiffre gegeben und zugleich der Schlüssel zu ihrer Entzifferung. Dann ist mir in gewissem Sinn Alles zum Verständnis des Satzes gegeben. Und doch würde ich auf die Frage, ob ich den Satz verstehe, antworten: „ich muß ihn erst entziffern“; und wenn ich ihn als deutschen Satz entziffert vor mir hätte, würde ich sagen „jetzt verstehe ich ihn“.
Wenn man nun die Frage stellt: „In welchem Augenblick der Übertragung ins Deutsche beginnt das Verstehen“, so erhält man einen Einblick in das Wesen dessen, was wir „verstehen“ nennen.
Ludwig Wittgenstein, Philosophische Grammatik, Frankfurt a.M., 1973, S.43

Und hier im Schachspiel können wir wieder den Doppelsinn des Wortes „verstehen“ finden. Wenn Einer, der das Spiel kennt, einer Schachpartie zusieht, so hat er bei einem Zug des Spiels im Allgemeinen ein anderes Erlebnis als der, welcher zusieht, ohne das Spiel zu verstehen. (Und auch wieder ein anderes Erlebnis als Einer, der gar nicht weiß, daß es ein Spiel ist.) Man kann auch sagen, daß es die Kenntnis der Schachregeln ist, die den ersten Zuschauer vom zweiten unterscheidet, und also auch, daß es die Kenntnis der Regeln ist, durch die der erste den Schachzug in seiner besonderen Weise erlebt. Aber dieses Erlebnis ist nicht die Kenntnis der Regeln. Beides aber sind wir geneigt „Verständnis“ zu nennen.
Ludwig Wittgenstein, Philosophische Grammatik, Frankfurt a.M., 1973, S.49

Details

  • Jahr: 1990/91
  • Material: Blei, 12 m x 6m
  • Orte: Kunstverein Marburg; Akademiegalerie München